Zeitsprung

Stillstand und Bewegung - Stillleben und Dokument

Eisenach in Fotografien von Ulrich Kneise 

Vor nunmehr bald 30 Jahren wurde es dem „Volk der DDR“ zu eng in seiner Nische. Es drängte nach Veränderung und schaffte sie mit Disziplin und „deutscher Gründlichkeit“: Das sozialistische Wirtschaftssystem kollabierte in den Fesseln seiner Ideologie. Das machte den Weg frei für unbestritten einmalige Veränderungen, auch in Thüringen. Viele konnten das Beste aus dieser Situation machen. Andere hingegen fühlten sich benachteiligt und ausgegrenzt. Vieles wurde zurecht verworfen und manches nostalgisch Verklärte erneut herbei gesehnt… 

1994 veröffentlichte Ulrich Kneise sein Projekt „Zeitsprung“; Bilder aus Eisenach, aufgenommen zwischen 1985 und 1994. Buch und Ausstellung fanden bundesweit Verbreitung und Anerkennung. „Kneise beschränkte sich darauf, den Epochenumbruch des Jahres 1989 im eng umrissenen heimischen Terrain visuell festzumachen. An einer gesamt-ostdeutschen, allegorisch gerafften Perspektive ist er nicht interessiert. Er bevorzugt die persönliche Bindung, das eigene Betroffensein. Aber gerade dadurch wird die hart ausleuchtende Tiefenschärfe beträchtlich. Dem bisweilen aufkommenden Schauder bei aller Tristesse in dieser Ab- und Umbruchslandschaft steht Kneises humaner Impetus entgegen…“ (Helmut Nitzschke, Autor der Literaturzeitschrift „Palmbaum“). 

Nach dem „Zeitsprung“ tickten die Uhren anders. Was ist aus all den Menschen geworden, die in Zeiten des Umbruchs skeptisch in Kneises Kamera schauten? Stille Porträts mit einem Schuss von Verschlossenheit und Skepsis spiegeln Befindlichkeiten und Erwartungen an einer existentiellen Schnittstelle wider. Das Leben ging weiter. Die so vielsagende, mehrschichtige und stille, über Jahre wachsende Fotoarbeit von Ulrich Kneise ist  nunmehr ein Bilddokument, das stetig fortgeschrieben, bis in die Gegenwart reicht. In ihrer Unvoreingenommenheit und Stringenz steht sie vorbildhaft für die Auseinandersetzung mit den Menschen und ihren Geschichten in unserem Land. „Die eindrucksvollen Bilder, die Kneise in seiner Eisenach-Sequenz vereinigt hat, belegen überzeugend, dass er in diesem Metier genau den richtigen Ton trifft. Seine Bilder sind Dokumente und Poesie, sind Komposition und Fotokunst, sind Meditationshilfe und Denkbild zugleich…“(Prof. Dr. Frank Günter Zehnder, ehemals Direktor des Rheinisches Landesmuseum Bonn).